St. Lucia - Bericht von A. Köneke



Im Nebel des Meeres liegt eine gehörnte Insel mit tiefgrünen Häfen…ein Land des Lichtes mit leuchtenden Tälern und stürmischen Wolken…in den moosbedeckten Wäldern ihrer Berge sprudeln die Quellen. Und der Silberreiher macht Ringe im Wasser, wenn er durch seine Lachen stolziert...ein Vulkan mit übelriechendem Schwefel hat sie zur Heilstätte gemacht. Zitat aus Derek Walcotts "Omeros"


Die Neue Welt

Üppig grüne Inseln in tiefblauem Wasser, darüber der sagenhafte Passathimmel. Traumziel für so viele Menschen. Sehnsucht unzähliger Segler, auf eigenem Kiel dort hin zu gelangen, ganz ohne Jetlag anzukommen, einfach zu genießen. Bacardi-Segeln. Laue Winde, ankernde Yachten, Cocktails werden gereicht. Freunde, das ist nur die halbe Wahrheit. Hinkommen muss man! Und das ist, wenn man nicht gerade den Flieger oder einen Kreuzfahrer buchen will, mühsam und entbehrungsreich. Durch meinen Cousin wurde ich auf ein Angebot im Internet aufmerksam. Dort bot man die ARC-Teilnahme, das heißt die Teilnahme an einer Transatlantikrallye von Gran Canaria nach St. Lucia an. Auf einer Pogo 40, auf einem jener Class40-Racer also, die momentan den 20 Fuß längeren Open60-Yachten die Show stehlen. Wenig später hatte ich gebucht und Maren, meiner Freundin, von dem Vorhaben erzählt. In dieser Reihenfolge. Nicht weil ich es ihr nicht hätte sagen wollen sondern weil meine Begeisterung für das Projekt einfach überschäumte. Aber es sollte noch mehr sein: Das Puzzleteil des World-Wide-Art-Projekts für St. Lucia ist noch frei, also kommt es mit ins Bordgepäck. Es wird also auch eine Reise im Zeichen der Völkerverständigung werden.
Für alle Nichtsegler: im Anschluss an diesen Bericht ist ein kleines Lexikon der Fachbegriffe angehängt, weil das Lesen auch Landratten Spaß machen soll.

23. November 2009, 13.00 ist Start. Vor dem Auslaufen noch schnell ein paar T-Shirts geshoppt, geduscht (zum letzten Mal mit Süßwasser für die nächsten 2 ½ Wochen), eine Ankündigungs-Postkarte an Derek Walcott nach St. Lucia und restliche Telefonate erledigt. Dann schiebt sich die Kolonne blank geputzter Yachten zwischen den Molen voller Menschen hinaus zum Start. Wir starten defensiv 10 Minuten später und beginnen die Aufholjagd. Die Regularien der Regattaleitung, für den Start den Buganker – falls vorhanden – abzupolstern oder zu demontieren zeugen nicht von hoher Professionalität der Crews und machen misstrauisch. Der Wind nimmt stetig zu und bald schiebt uns eine steife Briese mit 12 Knoten Fahrt vor sich her, die Highscores von 17 Knoten lassen das Schiff brummen; große Erwartungen werden erfüllt. ¾ des Feldes liegen jetzt hinter uns, Zeit für die erste Freiwache. Thorsten, unser Skipper, übernimmt das Steuer wieder, das er mir nach dem Start überlassen hatte. Der erste Sonnenuntergang auf See, letzte Fotos per MMS, dann ist der Kontakt zur Alten Welt zu Ende.

Die Nacht ist sternenklar und scheint sich im brodelnden Kielwasser mit hunderten von leuchtenden, planktongesättigten Wassertropfen ins unendliche zu verlieren. Meeresleuchten, Sternschnuppen und ein laues Lüftchen bei 10 Knoten Fahrt im Cockpit, zu Hause liegt Schnee. Hier fängt die Freiheit an! Morgens ein Speedfoto mit Sonnenaufgang hinter schäumender Heckwelle, danach blaues Wasser. Nichts als blaues, richtig blaues Wasser. „Saublau“ nennt Wilfried Erdmann, einer der größten Weltumsegler unserer Zeit, das in seinen Büchern. Delfine spielen ums Schiff, Frühstück wird von der Freiwache serviert. Kolumbus kommt mir in den Sinn: hier draußen hat sich nichts verändert über die Jahrhunderte. Nur die Mission, in der wir unterwegs sind: das St.-Lucia-Puzzleteil des World-Wide-Art-Projekts für Menschenrechte und Völkerverständigung ist wie gesagt mit an Bord. Ich will versuchen es dem Literaturnobelpreisträger von 1992, Derek Walcott, der gebürtiger St. Lucianer ist und in der Nähe unseres Zielhafens lebt, zu überreichen sobald wir in der Neuen Welt angekommen sind. Wer wäre ein besserer Empfänger für dieses Zeichen als ein international geehrter intellektueller Kämpfer für Menschenrechte und Völkerverständigung?

24. November, 2. Tag auf See
In der Nacht haben wir Fahrt verloren. Nach einem Sonnenschuss bei 30 Knoten Wind haben wir den Gennaker kurz vor Sonnenuntergang gegen die Genua ausgetauscht. Zum Glück kein struktureller Schaden, und so wird das türkisfarbige Tuch mit Sonnenaufgang wieder gesetzt. Das war keine Nacht, um mit dieser Crewkonstellation unter Gennaker durchzurauschen. Das Feld der 250 Yachten hat sich verloren. Tagesetmal: 190 Seemeilen. Noch einen Tag Kurs West, danach Süd! SMS nach Hause: „El Hierro querab. Funkempfang kurz nochmal vorhanden. Letzte Nacht Meeresleuchten. Heute viele Delphine. Sehr blaues Wasser. Ein Raum! Platz 5 im Gesamtfeld. Ob das so bleibt? LG, Andreas“ Telefon in den Mast gezogen und gehofft dass irgendeine Antenne auf El Hierro, das 40 Meilen an Steuerbord liegt, die durch den Äther schwirrenden Wellen auffängt. Enttäuschung: wir sind zu weit weg, kein Empfang mehr. Der Wind dreht recht und zieht uns immer weiter nördlich. Ein-Gabel-Menue aus der Bordküche: Gemüse und Chorizo auf Reis an Meerwasser. Köstlich! In der Hundewache wiederholt sich der Traum der letzten sternenklaren Nacht mit seinem Pendant im luminiszierend durchpflügten Wasser. Unendlichkeit oben und unten! Halse um 06.00 UTC, der Wind ist weg. Patenthalse von Stefan nach Wachwechsel bei nahezu Windstille, Eieruhr im Gennaker, der sich bald darauf ums Vorstag törnt. Unmut kommt auf, es menschelt das erste Mal in unserer wild zusammengewürfelten Chartercrew. An Bord kenne ich nur Mike, ein guter Freund mit dem ich gemeinsam gebucht hatte. Mike wird sich im weiteren Verlauf der Reise ebenso wie der Rest der Crew noch oft auf die Zunge beißen müssen, um Eskalationen mit dem ihm zugeteilten Wachpartner, der gerade in Gönnerpose am Steuer steht, zu vermeiden.

25. November, 3. Tag auf See
Topfdusche aus der Schlagpütz, Zahnbürste in den Hals, Rasur, neue Wäsche, Deo (!). Ein Mocca von Rien, ein größerer Gennaker von Thorsten, eine Briese vom Himmel. Der Wind dreht weiter recht, bald liegen 220° an und die Pogo brummt wieder über den glatt gebügelten tiefblauen Ozean. Positionsmeldung über Satellitentelefon. Trotz Hakenschlag in der Nacht noch Platz 2 in unserer Gruppe und Gesamtposition 9. Kurs Süd, Steuerbordbug.

26. November, 4. Tag auf See
Nach einer schwarzen Nacht geht die Sonne heißer auf als zuvor. Im ersten Tageslicht beginne ich mit Rien den großen Gennaker zu nähen. Unser Prinz hatte die 186 m⊃2; in der Nacht erneut ums Vorstag gewickelt und dabei das Unterliek sauber vom Rest des Leichtwindtuchs getrennt. Skipperstimme: „der kann’s ja gar nicht!“ 5 Stunden sitzen wir mit Nadel, Faden und Tape während uns der kleinere Gennaker, für den dieser Wind nur ein Flüstern ist. Heute ist der 66. Geburtstag meiner Mutter, Blumen, Kaffee und Kuchen in Gedanken – was wärst Du stolz auf Deinen Sohn wenn Du sehen könntest wie gut er ohne zu murren nähen kann… jedenfalls wünsche ich Euch eine schöne Feier da hinter dem Horizont! Thorsten hat Musik zur Feier des reparierten Tuchs angestellt, mit dem Gennaker ist auch die Stimmung repariert. Und zum Glück haben wir auch einen großen, sehr blauen Pool um uns herum. Es riecht nach Duschgel und Deo. „Carsten hat noch Rasierschaum im Ohr“, wie unser Prinz bemerkt. Carsten ist mein mir zugeteilter Wachpartner. Wir haben angenehme und kurzweilige Wachen, erzählen von erlebten Abenteuern und verrückten Ideen. Eine leichte achterliche Dünung macht sich bemerkbar, der Wind weht mit 10 Knoten, immerhin gut für 8 Knoten Bootsgeschwindigkeit mit der notdürftig geflickten großen Blase. Wir sind auf Platz 22 zurückgefallen. Das Feld liegt südöstlich von uns. Wir könnten einen Vorteil haben wenn wir früher in die Passatwindzone kommen als die anderen, weil wir schon mehr West gemacht haben. Abends gedünstetes Speckgemüse an Blauwassercouscous. Steuern nach den Sternen wie in Trance. Die Pogo rauscht unter den 240 m⊃2; Segelfläche wie auf Schienen durch die Nacht.

27. November, 5. Tag auf See
Nach Mitternacht briest es auf. Wir laufen zu viel Höhe und die Gennakerschot platzt aus der Winsch. Mike und der Prinz wecken Thorsten, nehmen den Gennaker weg und ersetzen ihn durch die Genua I. Eine gute Entscheidung: die Notreparatur des Gennakers hat zwar ihre 233-Knoten-Probe bestanden, aber auf weitere Defekte verzichten wir gern. Bei Wachübergabe Zodiakallicht: eine hoch aufragende pyramidenförmige Lichterscheinung, die durch an Staubteilchen gestreutes Sonnenlicht entsteht. Trockene Beschreibung, sieht aber gigantisch aus. Der Wind schwächelt, höchste Zeit wieder Gas zu geben. Thorsten steht gezeichnet von den Spi-Aktionen der letzten Nächte im Niedergang. Bald darauf hat er mit Rien und Carsten die Trinquette und den kleinen Gennaker gesetzt und unser 40-Fuß-Spaßobjekt glitscht wieder mit 10 bis 12 Knoten Fahrt dem Passatgürtel entgegen. „Geht doch!“ Sichtlich zufrieden übernimmt Thorsten die Wache. Sein Wachpartner Rien sorgt fürs Frühstück. Nachmittags Funkkontakt: „Wanderer IV“ (eine Sun Odyssey 44) und „Indian Summer“ (eine alte Gibes 38) sind in unserer Nähe. Yachten, vor denen wir bereits tagelang Vorsprung haben müssten. Der Haken nach WNW erweist sich nachträglich als taktischer Fehler. Wir liegen auf Platz 69. Ein Foto von der „Wanderer IV“ unter Butterflybesegelung, die die Tourensegler in der Passatzone üblicher Weise fahren obwohl sie langsamer ist als die Raumschotskreuz. Dann verschwindet sie im brodelnden Kielwasser. Regen macht sich breit: ein Ausläufer des westlich von uns liegenden Tiefs. Von Sylvia habe ich ein Päckchen mit, das ich nur öffnen darf bei Gewitter, anhaltender Flaute, Verlassen des Schiffes oder Stimmungstief. Ich schüttle das Päckchen. Jetzt? Nein, ich hebe es mir auf für Schlimmeres. Der Wind dreht 30° recht und frischt auf. Gut so! Der Ehrgeiz im Speedsurfen auf den Wellen ist entfacht. Im Cockpit dauerhaftes Rauschen vom Kielwasser wie von den Niagarafällen, unter Deck dezentes Brummen und Rumpeln wie im ICE bei Tempo 250. Dann mein Sonnenschuss. Eine aufgesteilte querlaufende See, gleichzeitig eine Bö, ein Moment der Unachtsamkeit. Das Schiff ist nicht mehr steuerbar und liegt eine gefühlte Ewigkeit auf der Seite. Mike und Rien sind gerade ungesichert auf dem Vordeck um den Müll in den Ankerkasten zu bringen. Auf der Großschotwisch ist die Trinquette belegt. Ausgerechnet! Das Segel kann nicht gefiert werden. Als wir das Groß endlich aufgeworfen haben, ist ein 10x15cm großer Haken im Gennaker zu sehen. Ich repariere das gute Stück mit Rien unter Verwendung des letzten Stücks Dacron-Tape. Das Spi-Repair-Tape ist schon bei der letzten Gennaker-Reparatur ausgegangen um das 8m lange Unterliek zu flicken. Die See wirkt rauer, in Böen 25 Knoten Wind. Der Gennaker bleibt unten, stattdessen Genua I. Besser so für die Nacht. Schauer ringsum. VMG immerhin 8 Knoten, Kurs 260°!
Eine Nacht ohne Schlaf. Wache von 00.00 bis 03.00 UTC. Während der Freiwache statt des sonoren Brummens ein orgelndes Kreischen unter dem Schiff. Draußen wird zu viel Höhe gesteuert. Das Schiff kracht unsanft in die querlaufenden Seen. Ich hole das Leesegel für die Koje raus. Nur 6 Bft., aber unter Deck fühlt sich das wie ein Inferno an. Seen werden überholt, aufgespießt und überziehen prasselnd das Deck.

28. November, 6. Tag auf See
00.00 UTC. Wachantritt im Trockenanzug. Im Cockpit statt des Dauerrauschens Brandungsgeräusche von achtern. Mike berichtet von 30 Knoten Wind. Während unserer Wache flaut der Wind auf 15 Knoten ab. Die Sterne lassen sich wieder blicken. Mit Sonnenaufgang kommt Spi-Stimmung auf, und so schießen wir bald bei frisch aufgebackenen Brötchen und Kaffee von Mike über die langgezogenen Wellen. Fliegende Fische führen ihre Kunststücke vor. Gedanken an meine Freunde. Heute hat Silja Geburtstag. Ich hatte meinem Bruder Christian vor der Abreise noch ein Paket für sie in die Hand gedrückt. Du müsstest heute hier sein, der Atlantik würde Dich mit seinem Sonntagsgeicht auf andere Gedanken bringen. Ein Fest für Speedsurfer wie Dich!

29. November, 7. Tag auf See
03.00 UTC Carstens und meine Wache beginnt. Wir fahren bei rückdrehendem Wind einen großen Bogen, geradewegs auf die Kapverden zu, die 80 Meilenvor uns im Süden liegen. Halse, Kurs 285°. Besser so, aber nicht gut. 08.30 UTC erneute Halse, Kurs 220° an den Kapverden vorbei. New York, das etwa 2500 Meilen entfernt in 285° liegt, steht nicht auf dem Programm, Kurs Süd tut gut. Nachts fliegt uns ein kapitaler fliegender Fisch ins Cockpit. Carsten packt ihn und wirft ihn in sein Element zurück. Diese erschrockenen Fischaugen konnte man nicht einfach ermorden; wir haben noch Spaghetti an Bord.
Zum Frühstück ist die Stimmung gut. Eine ruhige Nacht mit genug Schlaf für alle liegt hinter uns. Und – yippieh! – ich entdecke dass wir eine 230V-Steckdose an Bord haben, die nutzbar ist wenn der Motor zum täglichen laden der Batterien als Generator angeworfen wird. Solarzellen oder Windgenerator haben wir nicht. So lassen sich aber wenigstens die Akkus meiner Kamera regenerieren und der Traum vom Pogo-Foto unter Passatbewölkung ist nicht zu Ende geträumt.
Draußen brennt die Sonne und die Luft ist feucht. Gedanken an zu Hause: morgen ist der erste Advent. Hoffentlich hat die Bank die Weihnachtsgehälter für mein Team pünktlich überwiesen, hoffentlich geht der Umbau der Praxis reibungslos vonstatten. Es ist gar nicht so leicht, die betrieblichen Belange für 4 Wochen, in denen man nicht erreichbar ist, im Voraus zu planen. Immer wieder kommen Fachsimpeleien über (zahn)medizinische Themen an Bord auf: der von Mike und mir wegen seiner Ignoranz der realen Welt an Bord, gepaart mit einem gehörigen Schuss Arroganz so genannte Prinz ist Zahnarzt. Mike und ich vertreten den kieferorthopädischen Berufsstand, Carsten arbeitet in der Medizintechnik und Thorsten hat neben seiner Profiseglerkarriere eine abgeschlossene Zahntechnikerausbildung vorzuweisen. Der Prinz sinniert: Wie wichtig ist ein strahlend weißes Lächeln? Wie viel Silikon muss in die Brüste der Welt? Wovon hängt sexuelle Attraktivität ab? Philosophische Betrachtungen nach 7 Tagen auf See. Und er träumt von Bauchmuskeln. Entzugserscheinungen? Und dann ist da noch Rien. Schön dass Du es als Nichtmediziner mit Deiner fast schon stoischen Gelassenheit zwischen den hier und da aufkeimenden beruflichen Themen aushältst. Wahrscheinlich weil Du wirklich Spannendes zu erzählen hast von all den fernen Ländern in denen Du schon gelebt hast. Beeindruckend! Ich erzähle gern mit ihm.

30. November, 8. Tag auf See
1. Advent. Advent kommt von lateinisch adveniat und heißt: er wird ankommen. Das habe ich damals im Konfirmandenunterricht gelernt, er war also doch für etwas gut. Hier draußen erlangt das allerdings eine andere Bedeutung: angekommen, das sind wir auch. Dort, wo nichts mehr zählt außer der Moment. Die zeitgemäße Neuinterpretation der Adventszeit für den überpowerten Workoholic von heute. Vergessen ist die Platzierung im ARC-Feld, heute ist heute!
Die Kapverden sind erreicht, die virtuellen Wegweiser zeigen rechts nach St. Lucia, 2000 Meilen. Tage und Nächte voller purer Lebensfreude! An Deck wird das Letzte aus dem Schiff geholt, jede Welle abgesurft, neue Bestmarken werden erreicht: 14, 16, 28 Knoten! Unter Deck ein Gefühl wie in einem abstürzenden Flugzeug, wie auf einer abschüssigen Serpentinenstrecke auf der die Bremsen versagen. Schlafen? Nahezu unmöglich. Etmal: 222 Meilen. Hier draußen haben wir den Spielplatz für große Jungs gefunden. Jeder darf mal ans Steuer, jeder darf mal an den Winschen kurbeln. Nachts leuchten die Sterne den Weg, aufgescheuchte fliegende Fische landen an Deck, Kalamares in der Pütz. Tags brennt die Sonne vom immer blauen Himmel, der uns mit Windstärke 6 vor sich her über blaue Berge nach St. Lucia pustet. Grelle Suppe! „Den Kondensstreifen hinter’m Boot brauchste nicht zu fotografieren – den kriegste eh nicht aufs Bild“ hat mir mein Bruder mal unter ein Foto aus unserer Strandkatamaranzeit geschrieben, auf dem er das brodelnde Kielwasser meines damaligen Zweirumpfgefährts vom Typ Hobie 16 vom Trampolin aus vor der niederländischen Küste während eines Kaltfrontdurchgangs festgehalten hatte. Genau! Da ist es wieder! Tiefsinnige Gespräche: „wie nehmen wir die Isobaren am besten? Sollen wir drunter durch oder drüber weg bügeln?“- „Kommt drauf an, ob es Tief- oder Hochisobaren sind“. Pinne fest in die Hand, Sonnenbrille auf, böses Gesicht und los und ab geht’s!
Der leichtsinnige Umgang mit der hoch stehenden Sonne bringt mir einen Sonnenstich mit Halluzinationen ein. Auf der Koje in der Zentrale liegend schrecke ich hoch, sehe Mike in der Pantry und Carsten am Steuer, frage Mike ob Carsten weiß wo er hinfahren muss. Welch ein Quatsch! Nachts Stimmen hinter dem Heck. Danach tiefer Schlaf.

1.Dezember, 9. Tag auf See
The point of no return! Eine stramme Nacht unter Gennaker bei 4-6 Windstärken, die die Selbststeueranlage wie auf Schienen erledigt hat. Bisher haben wir von Hand gesteuert. Heute Nacht waren wir nur noch das Überwachungspersonal für unsere Segelmaschine. Wache mit einem Finger auf dem Notaus des Autopiloten und der Tackline griffbereit zum loswerfen, falls das Maschinchen mal wieder durch die Überlagerung einer See mit einer Bö in einen Sonnenschuss hineinsteuert. Dichte nächtliche Begegnung mit einem Fischereifahrzeug, hier draußen, in the middle of nowhere. Ein eigenartig beklemmendes Gefühl. Im Abstand von 1000 Meilen ringsum nichts als Wasser und eine handvoll Menschen mit Zielen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können, auf zwei sich begegnenden Schiffen. Ob die Fischer verstehen können, was wir hier draußen suchen? Es folgt ein ruhiger grauer Tag.

2. Dezember, 10. Tag auf See
Eine ruhige Nacht, ein grauer Tag. Gedanken an Hamburg. Over the Rainbow. Mehr ist fast nicht zu sagen, wären da nicht die 3 kleinen Tornados, die beim Frühstück der dunklen Suppe am Himmel entstiegen aber sich schnell wieder verflüchtigten, und wäre da nicht die fangfrische leckere Golddorade zum Abendessen gewesen. Wir laufen mittlerweile Kurs West, geradewegs auf St. Lucia zu. Trotzdem ein für mich trauriger, emotional berührender Tag, weil heute in Hamburg – ach, egal. Ich behalte für mich warum. Bier betäubt.

3. Dezember, 11. Seetag
Der graue Tag nach dem grauen Tag nach dem grauen Tag. Sauna. Die Nacht über surrte die Pogo bei 15 bis 20 Knoten Wind mit Volldampf über das glatte Wasser. 12 Knoten Fahrt. Die heimliche Aufholjagd hat längst wieder begonnen. Trotzdem sprechen wir nicht mehr von Platzierungen. Dann ein 4m langer Riss im Gennaker. Mike und ich nähen gemeinsam mit unserem Prinzen und Carsten was das Zeug hält. Nach zwei Stunden ist er wieder einsatzbereit. Der Wind ist jetzt weg, die querlaufende Dünung würde den Spi beim setzen direkt ums Vorstag wickeln. Dann endlich wieder 6 Knoten Wind. Ein Hauch, aber das reicht. Komm‘ Mike, wir gehen segeln. Der Gennaker wird gesetzt, reißt aber sofort wieder an den Enden der neuen Nähte. Ende. Aus. Jetzt geht es nicht mehr um die Platzierung im Rennen sondern darum, ob noch genügend Wasser an Bord ist für die verlängerte Reisezeit, die wir jetzt ohne Raumschotstuch benötigen werden. 2-3 Tage länger, das bedeutet auch dass dann unsere gebuchten Rückflüge weg sind. Frust. Erneute Flaute. Der Wetterbericht verheißt neuen Wind in 3 Tagen. 3 Tage! Das ist der Zeitpunkt, Sylvias Päckchen zu öffnen. Ein Reise-Sheepworld-Puzzle, 150 Teile, mit Schlingerleiste. Seetauglich! Titel: „Reif für die Insel“. Treffer, versenkt! Mike und ich sitzen unter Deck und puzzlen. Was anderes geht eh nicht. Carsten bereitet Sushi von einem 1,20m-Kingfish, den Thorsten während unserer Segelarbeiten an Bord gezogen hat. Dann Krisensitzung bei Sushi: Flüge umbuchen? Anderer Zielhafen?

4. Dezember, 12. SeetagNachts kommt der Wind freundlich mit 18-20 Knoten zurück. Trotzdem langt die Zeit nicht mehr unsere Flüge zu errreichen. Wetter-Info von Eddie, einem Freund von Thorsten, per Iridium-Telefon. 400 Meilen nördlich von uns Orkan. Respekt, es könnte uns schlechter gehen. Wir ölen an und unter Deck, die Pogo zieht ihre Schaumbahn sirrend durch den Atlantik. Mike telefoniert mit Janin um die Flüge für uns umzubuchen. Gar nicht so einfach, sie will sich nach dem Wochenende dazu melden. Ach so, Wochenende. Eine hier draußen fremde Erfindung. Es gibt hier nur ein sehr intensives heute und jetzt. Rings um uns blaues Wasser, weiße Schaumkämme, blauer Himmel und weiße Wolken. Wir pflücken den Tag.

5. Dezember, 13. Tag auf See
Nachts fast aus der Koje katapultiert, der Prinz steuert mal wieder zu viel Höhe. Halbwinds-Geschrote statt VMG. Er mag es nun mal lieber spektakulär. Während der folgenden Wache briest der Wind von 16 auf 27 Knoten auf. Kaum wieder in der Koje, gibt das Wasserstag einen noch nie dagewesenen Sound von 500 PS V8 von sich. 36 Knoten Wind. In der Dämmerung kämpfe ich mich aus der Koje, das Szenario will draußen erlebt werden! Als auch Mike und Carsten wach werden, binden wir das 2. Reff ins Groß. Wir schaffen nun zwar nicht mehr unsere Spitzengeschwindigkeit von knapp 20 Knoten wie vorhin, dafür bleibt der Mast stehen. Pfeilschnell rast das brettharte Wasser an uns vorbei. Zeit für stimmungsvolle Fotos. Unser Prinz mit Wannsee-Erfahrung bekommt Segelunterricht von Thorsten, nicht nur in puncto VMG-Optimierung. Wachänderung: Thorsten nimmt den Prinzen unter seine Fittiche weil’s besser ist, Mike und Carsten teilen sich eine Wache und ich werde zukünftig mit Rien Dienst haben. Ein Tag voller großartiger Aussichten von den schaumbedeckten Gipfeln blauer Berge. Aufregende Gleitfahrten in blaue Schluchten hinein, begrenzt von respekteinflößenden Wasserwänden. Dazu Sonne und tropische Hitze. Der Kühlschrank ist schon lange aus um Strom zu sparen. Kleine Kakerlaken entschlüpfen dem auf Gran Canaria gekauften Obst und Gemüse.

6. Dezember, 14. Tag auf See
Krokodilwetter. Nachts begleitet uns eine Gewitterfront im Norden, kommt langsam näher aber gibt ihr volles Ausmaß erst nach Sonnenaufgang preis. Geschätzt 200 Meilen lang, in 30 Meilen Entfernung. Das ist nicht weit weg bei 5 Meilen hohen Wolken. Zugrichtung ab morgens nicht mehr SW sondern SE, damit Entspannung für uns. Allerdings ist der Wind durch die nahe Front empfindlich gestört und wechselt zwischen 8 und 23 Knoten aus südöstlichen Richtungen. Mike gibt dem Gennaker eine letzte Chance: die vor einigen Tagen eingerissenen Enden der Nahtstelle werden mit Dacron verstärkt bis das Takelgarn (Spinnakergarn gibt es nicht an Bord) ausgeht, auch das ganz dicke, das eigentlich gänzlich unbrauchbar für solch eine Reparatur ist. Wenn der Gennaker jetzt wieder platzt, können wir nur noch Seemannsgarn nehmen, aber davon haben wir noch nicht gesponnen unterwegs. Das Tuch sollte man demjenigen, der es gebraucht an den ahnungslosen Eigner verkauft hat, um die Ohren hauen! Wir geben der Reparatur keine gute Prognose, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Das Material ist an einigen Stellen so morsch, dass es direkt beim nähen schon wieder aufbricht.
Tropische Sauna. Wer in der Karibik Urlaub macht, hat selber Schuld. Thorsten meint: „ist gar nicht so schlimm, nach ½ Jahr hast Du dich dran gewöhnt…“. Mein nächstes Schiff wird eismeertauglich! Wir ölen vor uns hin, Tag und Nacht. Bewegung nur noch im nötigsten Umfang. Mit Strapazen hatte ich ja gerechnet, aber dieses Gedümpel bei Schwachwind, Hitze und extrem hoher Luftfeuchtigkeit ist schlimmer als jeder Sturm bei eisiger Kälte. Topfdusche: mindestens 10 Pützen lauwarmes Atlantikwasser, bis auch das keine Abkühlung mehr bietet. Nikolausgeschenke werden ausgepackt: ein Stoffelch-Schlüsselanhänger von Maren mit Aufschrift „I love Norway“. Du sprichst mir aus der Seele! Und ein Sextant-Bausatz aus Pappe von Christian und Doreen. „Falls Ihr den Weg sucht…“ Whow, würde ich gern direkt ausprobieren, aber der Schweiß tropft schon wieder aus allen Poren, das gute Stück wäre sofort aufgeweicht.
Währenddessen haben wir den Gennaker wieder gesetzt. Wetten werden abgeschlossen. Thorsten wettet für 20 Minuten Restlebensdauer des Segels, ich sage er hält eine Stunde. Die ersten neuen Risse zeigen sich sofort, nach 200 Minuten sind 1,5m gerissen, halt durch! Mike bemüht sich möglichst sauber zu steuern, damit wir lange von den 186 m⊃2; Hoffnungsschimmer profitieren. Das Dümpeln hat ein Ende. Fahrt im Schiff. Luftbewegung! Wie lange geht das wohl gut? Nach 1 ½ Stunden ist der alte 4m-Riss wieder da aber geht nicht weiter. Nach drei Stunden müssen wir den Gennaker wieder einpacken – wegen Flaute. Das erste mal ist gar keine Bewegung mehr im Schiff, der Gennaker hängt schlaff am Mast herunter. Wir bergen ihn und die Hälfte der Crew nimmt ein blaues Wellenbad.
So kann das nicht weitergehen! Nach drei Stunden faulenzen ziehen wir den jetzt noch weiter verbesserten und an den gefährdeten Nähten verstärkten Gennaker wieder rauf. Keine halbe Stunde später setzt ein schwacher Wind aus ENE ein; auf in die Nacht!

7. Dezember, 15. Tag auf See
Hier und da zucken Blitze, wir nutzen die Wolken um Wind zu finden. Der Gennaker hält zunehmenden 5 Beaufort stand, wir sind glücklich wie Kinder! Immer wieder schrecke ich während meiner Freiwachen aus der Koje hoch und leuchte durch das Decksluk den gähnenden Riss im Gennaker an. Stabil! In der Morgendämmerung bergen wir das Tuch kurz, weil es weiter zu reißen droht. Nachnähen ist angesagt. Auf diesem Wege übrigens danke für die vielen mitgegebenen Nikolausgeschenke, sie waren überaus nützlich, weil alle reichlich mit durablem Geschenkband verziert waren, das jetzt als Ersatz-Segelgarn zum Einsatz kommt. Als das Patchwork wieder am blauen Himmel steht, sehe ich die Wasservorräte durch: Tanks leer, Cola leer, Fanta leer, Säfte fast leer, noch 12 Wasserkanister à 5l. Nach kurzer Besprechung mit Thorsten wird rationiert: jeder bekommt 2 Kanister Wasser für den Rest der Zeit und eine Büchse Bier pro Tag zugeteilt. Das spornt unseren Ehrgeiz an, den Gennaker wie ein rohes Ei zu behandeln, damit wir den Rest der Reise in 5 Tagen hinter uns bringen. Nichts mehr zu trinken an Bord zu haben ist kein schönes Gefühl. Ich habe das einmal während einer Langstreckenregatta in der Kieler Woche erlebt, als wir völlig ausgetrocknet das Zielschiff um Wasser angebettelt haben. Nur: mitten im Atlantik wird kein Zielschiff liegen…
Da sind sie nun, die Passatwolken und die konstanten 4 Bft. aus ENE, die Tradewinds. Das Klima heute ist kein Vergleich zu gestern. Zwar heiß, aber im Schatten der Segel mit einem guten Buch ein Tag um Raum und Zeit zu vergessen.
Der Prinz liegt auf dem Vordeck in Badehose. Jemand im Cockpit fragt, ob es für so etwas auch Körbchengrößen gibt, vielleicht in Abhängigkeit von weiteren persönlichen Faktoren. Filmreif! Die Crew nimmt ihre Mahlzeiten nach europäischer Zeit zu sich, in deutscher Regelmäßigkeit. 17.30 UTC. Der Prinz wünscht zu speisen und kocht zu Abend. Keine Zeit, ich lese. Local time ist 2.30 pm, Jungs! Wir sind nicht mehr in Europa und haben doch gerade erst gefrühstückt! Faszinierend, wie die Uhr manchen Menschen das Leben diktiert, selbst fernab jeder Zivilisation. Bordzeit ist UTC, was sich für Navigation, Kommunikation und Wacheinteilung einfach bewährt hat. Aber die Natur mit all ihrer gleißenden Sonne findet nach Ortszeit statt und mein Magen interessiert sich nicht für UTC.

8. Dezember, 16. Tag auf See
Heute wollten wir eigentlich spätestens ankommen. Während Riens und meiner Wache erwacht unser Prinz, dessen Halbwinds-Geschrote mit dem lädierten Gennaker mir abends mal wieder gewaltig auf den Senkel gegangen war. Er erscheint um über die Reling zu pinkeln und mir auf dem Rückweg in die Koje mitzuteilen, dass er sich zukünftig seglerischen Rat verbittet und beschuldigt mich des Zersegelns der beiden Gennaker. Zu viel Sonne auf den Schädel bekommen? Schlecht geträumt? Rien hält die Luft an: „the boy is sick…“. Das will verdaut werden. Die nächsten Tage wollen wir noch friedlich an Bord verbringen, wir ignorieren die Entgleisung. Mittlerweile hat sich unser Prinz in eine isolierte Porition an Bord manövriert ohne es zu erkennen. Aus dieser Situation resultiert auch sein Name, den ihm Mike und ich verpasst haben. Berichte von dramatischen Atlantiküberquerungen und gegenseitigem Beschuss mit Seenot-Leuchtmunition gehen mir durch den Kopf. Sehr leicht möglich, dass sich die Situation bei solch einer wild zusammengewürfelten Crew zuspitzen kann! Wir alle halten uns zurück, lassen ihn gewähren, denn nach übermorgen werden wir uns nie wieder sehen müssen. Was nicht für den Rest der Crew gilt: Mit Rien verabrede ich im Sommer vielleicht Katamaran segeln zu gehen wenn es die vollen Terminpläne erlauben und ihn in Tansania auf der Kaffeefarm zu besuchen, die er ab dem Frühjahr zu managen plant. Thorsten ist schon gespannt darauf gemeinsam auf meinem Eintonner zu segeln, er hatte während der Reise viele gute Tips für Selbststeueranlage und Navigationsausstattung für mich. Carsten möchte gern mitkommen, wenn das World-Wide-Art-Puzzleteil an Derek Walcott übergeben wird und plant eine Mittelmeer-Regatta. Und mit Mike habe ich auch in Zukunft viele weitere spannende Projekte.
Der Spaß an Bord ist trotzdem vorerst vorbei, jetzt zählt nur noch anzukommen. Ich freue mich auf das üppige Grün der Bäume und die Stimmen der Tiere im Wald. Und natürlich auf einen schönen eisgekühlten Rumpunch. Karibik, wir kommen!

9. Dezember, 17. Tag auf See
Nach einem langen Gespräch mit Mike gestern auf dem Vordeck bin ich auf andere Gedanken gekommen. Danke, Mike! Die ganze Nacht stand unter Rekordverdacht, die Pogo röhrt wie ein alter Dodge, oft wurde die 20-Knoten-Speedgrenze überschritten, 10 Knoten nie unterschritten. Tiefer Luftdruck. Der Passat weht mit 6 Bft., in Böen sind auch 8 drin. Der Prinz hat in einem Sonnenschuss heute Nacht das Groß nicht aufbekommen, die Freiwache musste ran. No comment, alle gehen wieder in die Kojen, der Skipper dankt. Diskussion mit Rien in unserer folgenden Wache: ein Auswahl-Training mit dem Boot wäre notwendig gewesen. Viele hier an Bord sind der Bedienung einer solchen Rennmaschine nicht gewachsen, Routineaufgabensind nicht eingeübt, Begriffe fehlen. Nicht gut aber nur zu menschlich, dass ein selbständiger Freiberufler wie unser Prinz dies mit einem übertriebenen Ego kompensiert. Schließlich wird er sich im Job auch nichts sagen lassen. Berufe färben ab. Thorsten kommentiert: „wenn der so bohrt wie er segelt, möchte ich bei ihm kein Patient sein“. Aber er wird besser: heute hält er schon selbständig Kurs. Danke für die Instruktionen, Skipper, Du rettest uns damit den Rückflugtermin!
Mittlerweile haben wir uns wieder auf Platz 45 vorgearbeitet und man erkennt den Steuerstil jedes Einzelnen mit geschlossenen Augen in der Koje: Mike steuert hoch konzentriert und um Vermeidung harter Aufsetzer bemüht; Rien ebenso, gelegentlich aber auch „Marke abstürzendes Flugzeug“, wie Carsten befindet. Carsten setzt das Heck tänzelnd und beschwingt auf die Wellen, der Prinz fährt Kopfsteinpflaster mit Überdruck und Thorsten einen beeindruckenden full-power-Stil, der das Schiff nie aus der Gleitfahrt kommen lässt. Und ich? Mein Ziel ist der Pogo-am-Sirren-halten-und-die-Wirbelschleppe-am-Heck-möglichst- ein-paar-Meter-achteraus-liegen-lassen-Stil.

10. Dezember, 18. Tag auf See
Adventskalendertürchen auf (ja, wir haben einen Adventskalender im Postkartenformat am Hauptschott installiert!) und der Tag beginnt auf Backbordbug mit Sonnenaufgang hinter Passatwolken und 12 bis 23 Knoten Wind aus ENE. Dasselbe Szenario wie seit Tagen. Einfach wunderbar! Nachts haben wir die erste Segelyacht seit langer Zeit gesehen, ein 74-Füßer, der auf Steuerbordbug 50m vor uns durch geht. Segel beleuchtet und Vollgas. Der Größere hat Vorfahrt, ich kann mich nicht erinnern jemals etwas anderes gelernt zu haben.
Bei 17 Knoten Wind wird der Gennaker wieder gesetzt, den wir gestern bei 26 Knoten aus Angst vor Totalverlust geborgen hatten. Leider reißt das gute Stück beim bergen nach einer Halse erneut, ca. 1,5m über dem Unterliek, 2m lang. Knopfnähte zur Begrenzung des Risses, dann geht er nach einigem Gedümpel unter Genua wieder hoch. Jetzt ist fast das letzte Geschenkband aufgebraucht, er muss noch bis morgen Abend durchhalten! Überall im unteren Segelbereich sind Stockflecken, Zeichendass das Tuch vom Vorbesitzer oft nass verstaut worden war. Nun haben wir die Freude mit dem morschen Tuch und werden vor Abflug nicht einmal mehr die Möglichkeit haben die Insel zu sehen. Das war anders geplant. Immerhin läuft das Schiff unter Gennaker 3-5 Knoten schneller als ohne. Bei einer derart langen Strecke kommen da schnell ein paar Tage Verzögerung zusammen, weil das Segel immer wieder geborgen werden musste um es zu schonen oder zu reparieren. Erneutes Gennakerbergen bei einer Schauerbö mit 28 Knoten Wind, die Nacht hat durchgehend 20 bis 24 Knoten Wind zu bieten, wir geben uns mit der Genua zufrieden.

11. Dezember, 19. Tag auf See, Zieldurchgang
Der Gennaker geht im Morgengrauen wieder hoch und platzt nach und nach an 5 weiteren Stellen. Die 10 bis 12 Knoten Wind sind sicher nicht der Grund. Zur Halse bergen wir ihn, noch 100 Meilen bis zum Ziel. Gedümpel mit 6 bis 7 Knoten Fahrt unter Genua. Schauerböen werden als Süßwasserdusche genutzt. Ein langer Tag voller Erwartung. 21.10 UTC: Land in Sicht!!! Da liegt sie, unsere Insel: St. Lucia steuerbord voraus in herrlicher Sonnenuntergangs-Stimmung. Wie groß müssen sich hier vor 500 Jahren die Entdecker der neuen Welt gefühlt haben?
Endspurt. Die deutlich größere „Peter von Seestermühle“ kommt von Backbord auf, Energiereserven werden mobilisiert. Mit unserem kleinen 40-Fuß-Bügeleisen wollen wir das schon schaffen! Es wird an den Schoten gezupfelt, ein rauschendes Erlebnis, Zieldurchgang in Rodney Bay wie in Trance. 23:24:10 UTC, 03:24:10 local time. Ein RIB kommt längsseits, macht Fotos. Fallen rasseln, dann wird es ruhig. In der Bucht ankern unglaublich schöne Yachten, Crews sitzen entspannt in ihren Cockpits, haben Petroleumlaternen an und trinken Wein. Das Klischee von der Karibik, aber kein Ziel ohne Weg. Hafeneinweisung. Welcome to St. Lucia. Rumpunch am Steg. Empfang in einer modernen Riesenmarina. „It’s all security, sir“…

12. Dezember
Am Morgen nach der ausgelassenen Rumpunch-Crewparty in der Hafenbar bleibt noch wenig Zeit bis zum Abflug. Ich mobilisiere die Hafenmeisterei das Puzzleteil Derek Walcott überbringen zu lassen. Die Regattaleitung übernimmt die Telefonate dafür mit seinem Sekretariat, ich spreche kurz mit ihm am Telefon. Nein, ich will keinen Staubsuager verkaufen und auch kein Kunstwerk für Geld. Es ist schwer ihm klar zu machen was das Ganze soll. Er ist nicht mehr der Jüngste und spricht Karibik-Englisch. Schließlich vereinbaren wir, dass ein Fahrer ihm das symbolische Teil überbringen wird. Ein großer Moment, wir sind am Ziel.
Auf der Fahrt zum Flughafen sehen wir üppiges Grün an uns vorbeiziehen, Traumbuchten und andere Wunder der Welt. Es muss schön sein hier.

Kleines Lexikon für Nichtsegler

achterlich
– hinten, von hinten kommend
belegt - festgemacht
Bft. – Abkürzung für Beaufort, Windstärkeskala von 1-12. Starkwind ab 6, Sturm ab 8.
Dacron – schweres Segelmaterial, meist für Tourensegel verwendet
Dünung – höhere, langgezogene Wellen, die nicht durch den lokalen Wind ausgelöst werden sondern von weit entfernten Ereignissen wie z.B. Starkwinzonen herrühren
Eieruhr – umgangssprachlich für einen in sich verdrehten Gennaker
Etmal zurückgelegte 24-Stunden-Distanz
Fall – Tauwerk um ein Segel zu setzen
Freiwache – Crewmitglieder außerhalb der Dienstzeit an Bord
Fuß – Längenmaß, ca. 33cm
Gennaker – großes Raumschotssegel
Gennakerbaum – Rohr, das nach vorn über den Bug ausgefahren wird um den Gennaker weiter vorn befestigen zu können
Genua – Standardvorsegel für alle Kurse außer raumschots
halbwinds – Wind von der Seite kommend
Höhe laufen – zum Wind hin fahren
Isobaren – Linien gleichen Luftdrucks in der Meteorologie, die in die Wetterkarten eingezeichnet werden
Knoten – Geschwindigkeitsmaß, etwa 1,85 km/h. Durschschnittliche Bootsgeschwindigkeit für Einrumpfboote der 40-Fuß-Klasse: 6-8 Knoten.
Kreuz – Zickzacksegeln um Kurse gegen den Wind oder vor dem Wind zu ermöglichen
Leesegel – Segeltuch, das vor die Kojen gespannt wird um bei Schräglage des Schiffes ein Herausfallen zu verhindern
Meile – Entfernungsmaß, etwa 1,85 km
Pantry – Bordküche
Passatwind – ein konstanter Wind, auf dieser Route meist aus nordöstlichen Richtungen
rechtdrehender Wind – Wind, der seine Richtung im Uhrzeigersinn ändert
raumschots – Wind von schräg hinten kommend
rückdrehender Wind – Wind, der seine Richtung gegen den Uhrzeigersinn ändert
Schot – Tauwerk um ein Segel einzustellen
Sextant – astronomisches Navigationsinstrument
Sonnenschuss – durch plötzlichen starken Winddruck wird das Schiff unsteuerbar und dreht den Bug zum Wind hin. Das Bott legt dabei stark über.
Spi – Kurzbezeichnung für Spinnaker, zu denen im weitesten Sinne auch der asymmetrisch geschnittene Gennaker zählt
Tackline – Tauwerk, mit dem das vordere untere Ende des Gennakers am Gennakerbaum befestigt wird
Tradewinds – s. Passatwind
Trinquette – Kutterstagfock, kleines Vorsegel
Trockenanzug – wasserdichter Überlebensanzug
Unterliek – untere Kante eines Segels
UTC – Die Zeit des 0. Längengrades, ohne Berücksichtigung von Sommerzeit, allgemein gebräuchliche Zeit an Bord von Schiffen und Flugzeugen und im Funkverkehr
VMG – Velocity made good, die Geschwindigkeit zum Ziel abzüglich des Verlusts durch die Kreuz
Vorstag – vordere Abspannung, die den Mast hält
Wasserstag – Abspannung vom Gennakerbaum zum Bug
Winsch – Winde zum Bedienen der Segel
Zentrale – der mittlere Bereich in der Kajüte einer Rennyacht, in dem Navigation, Schlafen und Kochen stattfinden

Derek Walcott

Derek Walcott wurde 1930 in der Stadt Castries auf der Insel Saint Lucia geboren. Sein Vater, ein Aquarellmaler, starb früh, die Mutter leitete die städtische Methodistenschule. Walcott studierte am St. Mary's College auf Saint Lucia und der University of the Westindies auf Jamaica. 1953 zog Walcott nach Trinidad, wo er als Literatur- und Kunstkritiker arbeitete. Selbst zu dichten hat er bereits mit 18 Jahren angefangen, doch der Durchbruch sollte ihm erst 1962 mit der Lyrik-Sammlung "In a Green Night" gelingen. 1992 erhielt Derek Walcott den Nobelpreis für Literatur. Derek Walcott, geboren am 23.1.1930 auf der Karibik-Insel St. Lucia, erhielt den Nobelpreis 1992 "für eine Dichtung von großer Leuchtkraft, getragen von einer historischen Vision, die aus einer multikulturellen Verpflichtung emporgewachsen ist" (aus der Begründung des Nobelpreis-Komitees).


Auf den Virgin Islands

Für Bill und Pat Strachan

Die Dünung der Orgel
der anglikanischen Kirche St. Croix in Christianstead
wird von der Stimme des Fallschirmjägers verdrängt: "Nach
Vietnam zur Polizei. Dreißigmal abgesprungen."
Glocken bestrafen die tote Straße, Tauben taumeln,
ihre Schirme öffnend, vom Glockenturm
und drehen sich in Kreisen, bis die Ringe des Läutens aufhören.
"Salud!" Der Fallschirmjäger hebt sein Glas.
Die Gemeinde erhebt sich wie eine Patrouille,
mit schlurfenden Schuhen und Stiefeln,
und wiederholt Befehle, während die Orgel donnert:
"Preiset den Herrn. Der Name des Herrn sei gepriesen."

Jenseits des stillen Hafens kann man die Brecher
nicht an den geschrammten Horizont feuern hören,
noch die Charterflugzeuge, die auf Buck Island
zuschießen. Der einzige Krieg hier ist ein stiller
Krieg zwischen blauem Himmel und Meer,
und eine einzige Stimme, die des marschierenden Chros, erhebt sich,
um mit dem uralten Schrei "Onward, Christian Soldiers"
neue Rekruten für die noch halbleeren, oder, wie Gläser,
halbvollen Kirchenbänke auszuheben.
Eine Möwe hängt, sich am Sims festkrallend,
wie eine Medaille vom tuchblauen Himmel.

Ist das alles: diese Boote, dieses blaue Meer?
Die Dinghis, Katamarane und Rennjachten, die an den
spitzengesäumten Felsen, an denen sie vertäut sind,
der Dünung von "Preiset den Herrn" zunicken?
Wesley und Watts, deren evangelisches Licht
die Minenschächte zu unserem Kirchstuhl hinabstach
mit seinen von Anthrazitstäubchen kiesigen Strahlen,
die auf uns in unseren Bänken zutrieben:
aus Gottes langsam mahlenden Mühlen in Lancashire
Asche auf die in den Sümpfen Flanderns eingegrabenen Toten,
während nun ein graues Nieseln an der Aussicht

auf diesen blauen Hafen vorbeidefiliert, in Fenster
zwischen zwei vom Zügel des Windes hin- und hergerissene
Palmwedel gerahmt, die wie Pferdenacken übereinstimmen
und nickend, langsam wie ein Leichenwagen, einen Schleier
aus Regentroddeln tragen. Während das Wetter, wie in einem Kind,
umschlägt, wird der paradiesische Tag draußen dunkel,
die Jachten flattern wie Motten in einem grauen Glas,
die militärischen Stimmen gehen im Donnern unter, und
auf der anderen Seite des Hafens wirft, wie ein schüchterne
Lockung, der Regen einen siebenfarbigen Bogen.

Der Sonntag ist für heute abend zu Bett gebracht worden.
Altarlichter reiten auf dem schwarzen Glas, wo sich die
Jachten steif wiederholen und mit jeder Kräuselung
phosphoreszieren - die weiten Parkplätze
reicher Gezeiten - und jeder Mast wiegt das Zifferblatt
der Nacht beim Umschwenken seiner Nadel auf der Suche
nach der Station, die wirklich Frieden heißt.
Wie Neonlaser, die über die Bars geschossen werden,
dröhnen die Discos die Musik der Sphären aus, und, einer nach
dem anderen, werden die Sterne von der Wissenschaft infiziert.

(Derek Walcott: "In the Virgins")


 

Derek Walcott Foto: Wikipedia

St. Lucia

Steckbrief Auswärtiges Amt, Stand: Oktober 2008

Ländername: St. Lucia / Saint LuciaKlima: tropisch maritim

Lage: Insel der Kleinen Antillen in der Ostkaribik, südlich von Martinique und nördlich von St. Vincent

Größe: 616 qkm

Hauptstadt: Castries (ca. 50.000 Einwohner)

Bevölkerung: 164.200 Einwohner, überwiegend afrikanischer Abstammung, jährliche Wachstumsrate 1,27 %

Landessprache(n): Englisch, als Umgangssprache auch Patois verbreitet

Religion(en), Kirchen: christlich, zu 90% röm.-kath.

Nationaltag: 22. Februar

Der 13. Dezember, St. Lucia Day, angenommener Jahrestag der Entdeckung, ist als nationaler Feiertag an die zweite Stelle getreten.

Unabhängigkeitsdatum: 22. Februar 1979

Staatsform / Regierungsform: Commonwealth-Monarchie, parlamentarische Demokratie

Staatsoberhaupt: Königin Elizabeth II / Her Majesty Queen Elizabeth II.

Vertreter: Her Excellency Dame (Dr.) Calliopa Pearlette Louisy, Governor General

Regierungschef: The Honourable Stephenson King, Prime Minister, Minister for Finance, External Affairs, Home Affairs, National Security (United Workers Party, UWP)

Außenminister: The Honourable Stephenson King, Prime Minister, Minister for Finance, External Affairs, Home Affairs, National Security

Parlament: Zweikammersystem: "House of Assembly" (17 Sitze) und "Senate" (11 Sitze, Präsident: Senator the Honourable Dr. Hilda Rose Marie Husbands-Mathurin); Parlamentspräsident: The Honourable Sarah Lucy Flood-Beaubrun, Speaker of the House of Assembly; letzte Wahl: 11. Dezember 2006, nächste Wahl: Dezember 2011
Regierungspartei: United Workers Party (UWP) - 11 Sitze

Opposition: St. Lucia Labour Party (SLP) - 6 Sitze, Oppositionsführer: The Honourable Dr. Kenny Davis Anthony

Gewerkschaft(en): 9 Einzelgewerkschaften mit zunehmender Stärke und Bedeutung

Mitgliedschaft in internationalen Organisationen: Vereinte Nationen (12.09.1979), WHO, IMF, IBRD, IDA, IFC, Commonwealth, Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS, 1979), CARICOM, OECS, ACS, Bewegung der Blockfreien, AKP

Wichtigste Medien:

Radio: Radio St. Lucia (staatlich) Radio Caribbean International

Radio 100

Hot FM (privat) Fernsehsender: Helen Television Service (HTS) (privat)

Daher Broadcasting Service

Catholic Broadcasting TV Network Zeitungen: The Voice (Auflage: ca. 3.000)The Crusader (Auflage: ca. 3.000)

The Mirror (Auflage: ca. 3.000)

The Star (Auflage: ca. 3.000) Bruttoinlandsprodukt in USD: 962 Mio. (2007); ca. 652 Mio. Euro

Pro-Kopf-BIP in USD: 5.810 (2007); ca. 3.938 Euro

Stand 15.11.2008

(Unverändert gültig seit: 06.11.2008)

Landesspezifische Sicherheitshinweise Kriminalität / Piraterie
In letzter Zeit ist ein Anstieg der Kriminalität zu beobachten, von dem auch Ausländer betroffen sein können. Insbesondere Segler sollten beachten, dass Raubüberfälle auf ankernde Schiffe bzw. Piraterie sporadisch vorkommen und entsprechende Maßnahmen ergreifen (Vorsicht mit spontanen Gästen an Bord, Eigensicherung bei Nacht). Notrufe an die Polizei/Küstenwache über 911 (Mobiltelefon) sind möglicherweise zuverlässiger als Dringlichkeitsrufe über mobilen Seefunk.

Hotel- und Individualreisende sollten Spaziergänge nach Einbruch der Dunkelheit, insbesondere in einsamen, abgelegenen Gegenden meiden, da es immer wieder zu Taschendiebstahl und Überfällen kommt.

Außerhalb der Hotels, insbesondere in größeren Menschenansammlungen wie bei Karnevalsveranstaltungen, auf Märkten, Busbahnhöfen und in Bars etc., sollten Wertsachen wie Schmuck nicht und Bargeld nur im unbedingt benötigten Umfang mitgeführt werden. Es wird angeraten, wichtige Dokumente (Flugschein, Reisepass) nur in Fotokopie mitzunehmen und die Originale im Hotelsafe zu hinterlegen.

Allgemeine Reiseinformationen
Die Landessprache ist Englisch; deutsche Sprachkenntnisse sind nicht verbreitet.

Flugverkehr: Bei der Ausreise ist eine Flughafensteuer von derzeit 26 USD zu entrichten. Es ist dringend zu empfehlen, ca. 2 Stunden vor dem planmäßigen Abflug am Flughafen einzuchecken, um sicherzugehen, dass die eigene Reservierung nicht wegen einer evtl. Überbuchung gestrichen wird.Geld / Kreditkarten: In St. Lucia können gängige Währungen in Hotels und in den meisten Banken getauscht werden. Einige Banken wechseln nur USD. Reiseschecks werden von den Banken akzeptiert. Zahlung per Kreditkarte (American Express, Mastercard, Visa) ist relativ weit verbreitet.

Naturkatastrophen: St. Lucia liegt in der durch Wirbelstürme gefährdeten Zone der Karibik (Wirbelsturmsaison: ca. Juni bis November).

Straßenverkehr: In St. Lucia herrscht Linksverkehr. Das Straßennetz ist relativ gut ausgebaut. Die meisten Straßen sind zweispurig, eng und zum Teil sehr kurvenreich. Wegen der vielen Schlaglöcher und der unorthodoxen Fahrweise wird zu Vorsicht im Straßenverkehr angeraten. Motorräder und –roller sollten trotz der tropischen Temperaturen nur mit entsprechender Schutzkleidung benutzt werden. Relativ preisgünstige Taxis stehen zur Verfügung. Das Fahren eines Kfz ist nur mit einem lokalen Führerschein gestattet, der gegen Vorlage des deutschen Führerscheins bei der Einreise am Flughafen erworben werden kann. Die Gebühr hierfür beträgt zur Zeit 21 USD.


Einreisebestimmungen Visum/ Reisedokumente
Für die Einreise nach St. Lucia und Aufenthalt bis zu 90 Tagen benötigen deutsche Staatsangehörige kein Visum. Die Einreise kann mit einem Reisepass erfolgen, der mindestens noch sechs Monate gültig ist. Ein Personalausweis reicht für die Einreise nicht aus. Kinderausweise werden anerkannt. Ferner sollte der Reisende im Besitz eines Weiter- oder Rückflugtickets sein.

An- bzw. Abreise über die USA: Deutsche Staatsangehörige können als Touristen oder Geschäftsreisende ohne ein Visum in die Vereinigten Staaten reisen oder das Land zur Durchreise (Transit) nutzen, wenn Sie im Besitz eines mindestens für die Dauer des Aufenthaltes gültigen maschinenlesbaren (bordeauxroten) Reisepasses oder eines Kinderreisepasses (mit Lichtbild) sind, der vor dem 26. Oktober 2006 ausgestellt und nach diesem Datum nicht verlängert wurde. Sie müssen außerdem im Besitz eines Rückflug- oder eines weiterführenden Tickets sein (weiterführende Tickets dürfen nicht in Kanada, Mexiko oder der Karibik enden). Reisende, die einen vorläufigen Reisepass, einen ab dem 26.10.2006 ausgestellten oder verlängerten Kinderreisepass oder einen Kinderausweis besitzen, benötigen ein Visum!

Einreisebestimmungen für deutsche Staatsangehörige können sich kurzfristig ändern, ohne dass das Auswärtige Amt hiervon vorher unterrichtet wird. Rechtsverbindliche Auskünfte zur Einreise können Ihnen nur die Auslandsvertretungen des jeweiligen Ziellandes erteilen.Besondere Zollvorschriften:Die Einfuhr von Waffen (auch Schreckschusspistolen, Taucher- und Bootssignalpistolen) ist nur mit besonderer Einfuhrgenehmigung erlaubt.

Besondere strafrechtliche Vorschriften: Drogenkonsum und -handel, auch in geringsten Mengen, werden von den Polizeibehörden strengstens verfolgt; man darf keinesfalls davon ausgehen, dass Ausländer von einer Verfolgung verschont werden. Bei Verstößen gegen die Drogengesetzgebung werden hohe Geld- und Gefängnisstrafen verhängt; eine Freilassung gegen Kaution ist in der Regel nicht möglich. Vorsicht ist deshalb auch geboten bei Entgegennahme von Paketen von Fremden und unbeaufsichtigtem Stehen lassen von Gepäck.


Medizinische Hinweise Impfschutz
Pflichtimpfungen für die Einreise nach St. Lucia sind nicht vorgeschrieben, außer bei Einreise aus sogenannten gelbfieberendemischen Gebieten; hier sollte eine Gelbfieberimpfung nachweisbar sein. Für Kurzreisen nach St. Lucia empfiehlt sich Impfschutz gegen Hepatitis A, Tetanus und Diphtherie. Für einen Langzeitaufenthalt ist Schutz gegen Hepatitis B und Typhus empfohlen.

Malaria:
Malariainfektionen kommen in St. Lucia nicht vor.

Dengue-Virus:
Die durch Mücken übertragene Dengue-Virus-Infektion tritt auf. Es wird empfohlen, sich gegen Insektenstiche entsprechend zu schützen, z.B. durch Moskitonetze oder mückenabweisende Mittel.

HIV/ Aids:
Wie auf anderen Karibikinseln ist auch auf St. Lucia HIV/Aids weit verbreitet (Vorsicht bei Urlaubsbekanntschaften).

Hygiene: Reisende sollten auf Hygienemaßnahmen vor Verzehr von Obst, Gemüse und Fleisch sowie Fisch und Meeresfrüchten achten. Trinkwasser kann flaschenweise in Lebensmittelgeschäften gekauft werden.

Medizinische Versorgung: Das Privatkrankenhaus Tapion in der Hauptstadt Castries verfügt über eine Notaufnahme-Station und kann gegebenenfalls einen Rettungsflug nach Martinique (10 Minuten Flugzeit) organisieren.

Bitte beachten Sie neben unserem generellen Haftungsausschluss den folgenden wichtigen Hinweis:

Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der medizinischen Informationen sowie eine Haftung für eventuell eintretende Schäden kann nicht übernommen werden. Für Ihre Gesundheit bleiben Sie selbst verantwortlich.

Die Angaben sind zur Information medizinisch Vorgebildeter gedacht. Sie ersetzen nicht die Konsultation eines Arztes; auf die direkte Einreise aus Deutschland in ein Reiseland, insbes. bei längeren Aufenthalten vor Ort zugeschnitten. Für kürzere Reisen, Einreisen aus Drittländern und Reisen in andere Gebiete des Landes können Abweichungen gelten; immer auch abhängig von den individuellen Verhältnissen des Reisenden zu sehen. Eine vorherige eingehende medizinische Beratung durch einen Arzt / Tropenmediziner ist im gegebenen Fall regelmäßig zu empfehlen; trotz größtmöglicher Bemühungen immer nur ein Beratungsangebot. Sie können weder alle medizinischen Aspekte abdecken, noch alle Zweifel beseitigen oder immer völlig aktuell sein.

Sicherheitshinweise - Häufige Fragen Haftungsausschluss
Reise- und Sicherheitshinweise beruhen auf den zum angegebenen Zeitpunkt verfügbaren und als vertrauenswürdig eingeschätzten Informationen des Auswärtigen Amts. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit sowie eine Haftung für eventuell eintretende Schäden kann nicht übernommen werden. Gefahrenlagen sind oft unübersichtlich und können sich rasch ändern. Die Entscheidung über die Durchführung einer Reise liegt allein in Ihrer Verantwortung. Diese kann Ihnen vom Auswärtigen Amt nicht abgenommen werden. Hinweise auf besondere Rechtsvorschriften im Ausland betreffen immer nur wenige ausgewählte Fragen. Gesetzliche Vorschriften können sich zudem jederzeit ändern, ohne dass das Auswärtige Amt hiervon unterrichtet wird. Die Kontaktaufnahme mit der zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Ziellandes wird im Zweifelsfall empfohlen.

Das Auswärtige Amt rät dringend, die in den Reise- und Sicherheitshinweisen enthaltenen Empfehlungen zu beachten sowie einen Auslands-Krankenversicherungsschutz mit Rückholversicherung abzuschließen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Ihnen Kosten für erforderlich werdende Hilfsmaßnahmen in Rechnung gestellt werden. Dies sieht das Konsulargesetz vor.

Auswärtiges AmtBürgerservice

Arbeitseinheit 040

D-11013 Berlin

Tel.: (03018) 172000

Fax: (03018) 1751000

Stand: Oktober 2008 Die politischen Beziehungen sind freundschaftlich und frei von Problemen. Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben sich vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen.

Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen St. Lucia und Deutschland sind wenig ausgeprägt. Im- und Export liegen in beiden Richtungen auf niedrigem Niveau. Nennenswerte Einnahmen aus Deutschland ergeben sich allerdings durch den Besuch deutscher Touristen.

Kooperations- und Handelsabkommen bestehen nur im Rahmen der Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und den so genannten AKP (Afrika, Karibik, Pazifik)-Staaten und denen zwischen der EU und CARIFORUM (CARICOM-Mtgliedstaaten plus Dominikanische Republik). Mit besonderer Aufmerksamkeit wird in St. Lucia wie in der gesamten Region die weitere Entwicklung der Handelsbeziehungen zur EU vor dem Hintergrund des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (Economic Partnership Agreement, EPA) verfolgt, das am 15.10.2008 unterzeichnet wurde.
In der Entwicklungszusammenarbeit ist St. Lucia mit der Bundesrepublik Deutschland mittelbar über Vereinbarungen zwischen Deutschland und der Karibischen Gemeinschaft CARICOM verbunden, in deren Rahmen in erster Linie in den Bereichen HIV/AIDS-Prävention und erneuerbare Energien zusammengearbeitet wird. Ansonsten leistet Deutschland in der gesamten Region Hilfe mittels so genannter Kleinstprojekte.

Seit 2003 sind im marktwirtschaftlich orientierten St. Lucia wieder gute Wirtschaftsdaten und Wachstum des BIP zu verzeichnen. Dahinter stand der wieder schnell wachsende Tourismussektor, auch Kreuzfahrt- und Yachttourismus. Dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Wirtschaft genau wie die der anderen Windward-Inseln in einem schmerzhaften Transitionsprozess weg von Landwirtschaft hin zu Dienstleistungen befindet. Mit Landwirtschaft ist im Falle St. Lucias vor allem Bananenproduktion gemeint. Sie sorgte bisher für fast 70 Prozent der Exporterlöse. Eine derartige Abhängigkeit von einem Produkt birgt hohe Risiken. Die Arbeitslosigkeit ist durch Schwierigkeiten in der Landwirtschaft hoch; der Tourismussektor nur begrenzt aufnahmefähig.

Die Regierung hat in den letzten Jahren eine expansive Fiskalpolitik verfolgt, um die Wirtschaft anzukurbeln, wodurch sich aber vor allem die Staatsverschuldung erhöht – ein typisches Problem der ostkaribischen Inselstaaten. Nach Ansicht des IWF ist in Bezug auf St. Lucia vor allem eine Diversifizierung der Wirtschaft nötig, um von der einseitigen Ausrichtung auf Landwirtschaft und Tourismus loszukommen. Denn strukturell steht St. Lucia wie fast alle Staaten der Region vor dem Problem, nur einen kleinen, einer Industrialisierung kaum zugänglichen Binnenmarkt zu besitzen und gegenüber Naturkatastrophen sehr anfällig zu sein. Die Industrie ist zu wenig diversifiziert. Dadurch besteht starke Abhängigkeit von Importen, internationalen Markt- und Preisschwankungen und Präferenzregelungen. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement, EPA) zwischen CARIFORUM und der EU, das am 15.10.2008 unterzeichnet wurde, ist insofern von besonderer Bedeutung für St. Lucia.

St. Lucia ist Mitglied der OECS (Organisation der Ostkaribischen Staaten) und Mitglied der OECS-Währungsunion, die durch die ostkaribische Zentralbank (ECCB) koordiniert wird. Alle OECS-Staaten haben den EC-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel.

St. Lucia unterhält gute Beziehungen zu Frankreich, Venezuela und Kuba, die mit Botschaftern vertreten sind, sowie mit Großbritannien, Kanada, den USA und der Europäischen Union. Es ist engagiertes Mitglied in der Caribbean Community (CARICOM) und in der Organisation of Eastern Caribbean States (OECS), die ihr Sekretariat in der Hauptstadt Castries hat. Außerdem vertritt St. Lucia seine Interessen in den Vereinten Nationen (der damalige Außenminister Hunte war in der Sitzungsperiode 2003/04 Präsident der Vollversammlung) und in der Organisation of American States. 2007 nahm St. Lucia diplomatische Beziehungen mit Taiwan auf, worauf die Volksrepublik China die Beziehungen abbrach.

Staatsaufbau: St. Lucia wurde 1971 aus britischer Kolonialherrschaft entlassen und ist Mitglied des Commonwealth. Staatsoberhaupt ist die britische Königin, die durch einen Generalgouverneur (derzeit Frau Dr. Pearlette Louisy) vertreten wird. St. Lucia ist eine parlamentarische Demokratie nach britischem Vorbild. Das Parlament besteht aus dem Abgeordnetenhaus (17 gewählte Mitglieder) und dem Senat (11 ernannte Mitglieder). Der Premierminister (derzeit Stephenson King) wird von der Mehrheitspartei im Abgeordnetenhaus bestimmt. Auf der Verwaltungsebene ist das Land in 10 Bezirke eingeteilt.Die Justiz ist unabhängig und gliedert sich in drei Instanzen: Bezirksgerichte, Ostkaribisches Oberstes Gericht und Privy Council in London.

Innenpolitische Lage: Nachdem die United Workers Party seit der Unabhängigkeit das politische Leben beherrscht hatte, ging bei der Parlamentswahl von 1997 die Macht auf die St. Lucia Labour Party über. Sie erhielt 16 der 17 Sitze und bestimmte Dr. Anthony zum Premierminister. Bei der Wahl von 2001 konnte sie mit 14 Sitzen die Mehrheit behaupten. Dagegen errang die United Workers Party bei der Wahl 2006 überraschend 11 der 17 Parlamentssitze; Premierminister wurde zunächst ihr langjähriger Vorsitzender Sir John Compton, nach dessen Tod im September 2007 Stephenson King.

Die neue Regierung bemüht sich sich vor allem darum, neue Arbeitsplätze im Tourismus und im IT-Bereich zu schaffen und die steigende Kriminalität zu bekämpfen.Deutsche Vertretungen:Bezeichnung: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland

Leiter: Dr. Ernst Martens, außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter

Ort: Port-of-Spain

7-9 Marli Street, Port-of-Spain/Trinidad, W.I.

Telefon (001868) 628 16 30 bis 16 32, 628 85 32

Fax (001868) 628 52 78

Postadresse Embassy of the Federal Republic of Germany, P.O. Box 828, Port-of-Spain, Trinidad, W.I.

Amtsbezirk/ Konsularbezirk:

Trinidad und Tobago sowie Antigua und Barbuda, Barbados, Dominica, Grenada, Guyana, Suriname, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Anguilla, Britische Jungferninseln, Montserrat. Der Leiter der Vertretung ist zugleich als Botschafter in Antigua und Barbuda, Barbados, Dominica, Grenada, Guyana, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen sowie in Suriname mit Sitz in Port-of-Spain akkreditiert. Der Leiter der Botschaft ist zugleich Generalkonsul für die britischen Überseegebiete Anguilla, Britische Jungferninseln und Montserrat mit Sitz in Port-of-Spain.

Website http://www.port-of-spain.diplo.de Sonstiges Behördensprachen: Englisch: in Trinidad und Tobago sowie Antigua und Barbuda, Barbados, Dominica, Grenada, Guyana, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Anguilla, Britsche Jungferninseln, Montserrat; Niederländisch: in Suriname

Hinweis: Bei Benutzung einer Telefon- bzw. Faxverbindung via Satellit (Satcom) entstehen höhere Gebühren.

Honorarkonsulin: Bezeichnung Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland

Leiter Karen Cave, Honorarkonsulin

Ort: Gros Islet

Care Service Building, Gros Islet, St. Lucia.

Telefon (001758) 450 80 50

Fax (001758) 450 02 55

Postadresse: Honorary Consul of the Federal Republic of Germany, P.O. Box 2025, Cros Islet, St. Lucia, W.I..

Amtsbezirk/ Konsularbezirk:

St. Lucia. Übergeordnete Auslandsvertretung: Bortschaft-Port-of-Spain.

E-Mail: karencave@candw.lc
Sonstiges Hinweis: Bei Benutzung einer Telefon- bzw. Faxverbindung via Satellit (Satcom) entstehen höhere Gebühren.


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St. Lucia
St. Lucia - Fotos von A. Köneke